Soester Anzeiger vom 23.11.21
Papst Franziskus hat bei einem Besuch der griechischen Insel Lesbos den Umgang mit Flüchtlingen als „Schiffbruch der Zivilisation“ angeprangert. Zugleich sagte er den Migranten seine Unterstützung zu.
Ich bin hier, um eure Gesichter zu sehen und euch in die Augen zu schauen. Es sind Augen voller Angst und Erwartung, Augen, die Gewalt und Armut gesehen haben, Augen gerötet von zu vielen Tränen.
Ja, es ist ein Weltproblem, eine humanitäre Krise, die alle angeht. Die Pandemie hat uns auf globaler Ebene getroffen; uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, denn wir erlebten, was es heißt, dieselben Ängste zu haben. Wir haben verstanden, dass wir uns den großen Fragen gemeinsam stellen müssen, denn in der heutigen Welt sind bruchstückhafte Lösungen unzureichend. Während jedoch die Impfungen, wenn auch mühevoll, auf Weltebene vorangebracht werden und sich im Kampf gegen Klimaveränderungen, wenn auch mit vielen Verzögerungen und Unsicherheiten, etwas zu bewegen scheint, sieht alles im Bereich der Migrationen nach einem schrecklichen Stillstand aus. Dabei stehen doch Menschen und Menschenleben auf dem Spiel! Auf dem Spiel steht die Zukunft aller, die nur dann harmonisch sein kann, wenn sie auf Integration beruht. Nur eine mit den Schwächsten versöhnte Zukunft wird ertragreich sein. Wenn nämlich die Armen zurückgewiesen werden, wird der Frieden zurückgewiesen. Die Geschichte lehrt, dass Abkapselungen und Nationalismen katastrophale Folgen haben. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert uns: „Der feste Wille, andere Menschen und Völker und ihre Würde zu achten, gepaart mit einsatzbereiter und tätiger Brüderlichkeit – das sind unerlässliche Voraussetzungen für den Aufbau des Friedens“ (Gaudium et spes, 78).
Ansprache von Papst Franziskus an Flüchtlinge auf Lesbos, VatikanNews vom 05.12.21 (url-Link)