Buchbesprechung

Was das Neue Testament über Wahrheit, Buße und die Bewahrung der Schöpfung zu sagen hat
Ruben Zimmermann, Professor für Neues Testament in Mainz, untersucht in diesem Buch, was das Neue Testament und besonders die Worte und Handlungen Jesu für die heutige Klimakrise zu sagen haben. Dabei geht es nicht um die buchstäbliche Frage, ob Jesus ein Klimaaktivist gewesen wäre – denn das wäre historisch unsinnig –, sondern darum, wie sein Denken und Handeln interpretiert werden können im Kontext unserer heutigen Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Zentral sind dabei Themen wie Wahrheit, Buße, Bewahrung der Schöpfung, und wie Kirche und Theologie darauf reagieren.
Stärken
- Textnahe Bibelarbeit / Theologische Fundierung
Zimmermann zieht viele biblische Stellen heran, besonders aus dem Johannesevangelium, und zeigt, dass Jesus nicht als ein abgeschlossener Bevollmächtigter vergangener Zeiten zu sehen ist, sondern dass seine Botschaft fortwirkt – etwa im Sinne eines „fortdauernden Schöpfungsprozesses“. - Verbindung mit gegenwärtiger Debatte
Es gelingt ihm gut, die drängenden Fragen der Klima- und Umweltkrise mit theologischen Begriffen wie Wahrheit, Umkehr (Buße) und Verantwortung in Verbindung zu bringen. So wird zum Beispiel aufgezeigt, dass viele kirchliche Instanzen sich in der Klimadebatte eher zurückhalten oder sogar Kritiker mundtot machen, statt prophetisch zu sprechen. - Appell an Kirche und Individuen
Das Buch spricht sowohl Menschen in Verantwortung in Kirche und Gesellschaft an als auch jede und jeden Einzelnen. Zimmermann plädiert dafür, dass Christen – und Kirchen – nicht nur abstrakt von Schöpfung sprechen, sondern aktiv Verantwortung übernehmen, sich zur Wahrheit bekennen, und bereit sind zu Buße und Wandel. - Klare Haltung
Zimmermann nimmt kein Blatt vor den Mund, besonders wenn es um Kritik an der Kirche geht, die in der Klimakrise oft zögerlich, sprachlos oder opportunistisch agiert. Diese klare prophetische Stimme ist für viele wahrscheinlich erfrischend und herausfordernd zugleich.
Schwächen / Kritikpunkte
- Komplexität und Herausforderung
Die theologische Arbeit ist anspruchsvoll; nicht alle Leser:innen sind in der Bibelwissenschaft bewandert. Wer weniger vertraut ist mit theologischen Begriffen oder dem Johannesevangelium könnte gelegentlich überfordert sein oder mehr Hintergrund wünschen, um den Ausführungen zu folgen. - Grenzen der Analogie
Manche Leser:innen mögen einwenden: Wie stark darf man den Kontext Jesu auf die heutige Zeit übertragen? Umweltprobleme, Klimawandel etc. sind Phänomene, die Jesus so nicht kannte. Die Analogie birgt die Gefahr, dass historische Unterschiede und kulturelle Kontexte (z. B. Umweltbedingungen, technologische Entwicklungen) unterschätzt werden. - Operative Schritte weniger konkret
Während das Buch stark in theologischer Analyse und moralischem Appell ist, bleiben konkrete Handlungsmöglichkeiten manchmal vage. Zimmermann ruft zur Umkehr und Wahrheit auf, was wichtig ist, aber manche Leser*innen werden sich wünschen, es gäbe mehr praxisnahe Vorschläge: Was sollten Gemeinden tun, wie könnte Kirche konkret agieren, wie kann man ethisch sinnvolle Umweltpolitik fördern aus theologischer Perspektive? - Anspruch an Kirche vs. realpolitische Hindernisse
Der Appell an Kirche und Theologie ist notwendig, jedoch könnten Leser:innen sich fragen: In wie weit sind kirchliche Strukturen handlungsfähig? Wie sieht es mit Ressourcen, Machtverhältnissen, politischem Druck aus? Diese Rahmenbedingungen könnten stärker reflektiert werden.
Mein Eindruck und Bewertung
Gesamturteil: Sehr gelungenes Buch, das eine theologisch solide Grundlage bietet, um über die Rolle von Christen, Kirche und Theologie in der Klima- und Umweltkrise nachzudenken. Es ist provokant, fordert heraus und kann zu einer Bewusstseinsveränderung beitragen.
Für wen empfehlenswert:
- Für Christ:innen, die sich fragen, wie ihr Glaube konkret Verantwortung in der Umweltfrage übernehmen kann.
- Für Mitarbeitende in Gemeinden, Pfarrer:innen, Theologie-Studierende, die theologische Reflexion mit aktueller gesellschaftlicher Relevanz suchen.
- Auch für Nicht-Christ:innen, die interessiert sind, wie religiöse Überzeugungen in der Klimaethik wirken können.
Gesamtpunktzahl (subjektiv): 4,5 von 5 Sternen.
Weitere Eindrücke auf Leipziger Zeitung
Erscheinungsdatum 11.04.2025; ISBN 978-3-374-07877-6