2. Oktober 2025

In einer aktuellen Ansprache ruft Papst Leo XIV. dazu auf, die globale Migrations- und Flüchtlingslage nicht mit Resignation oder Machtlosigkeit zu betrachten, sondern mit Versöhnung, Hoffnung und engagierter Solidarität zu reagieren. Er spricht sich deutlich gegen Gleichgültigkeit und Überforderung aus und skizziert Wege, wie die Kirche, die Zivilgesellschaft und politische Akteure gemeinsam eine menschenwürdige Zukunft für Migrantinnen und Migranten gestalten können.
Kontext und Anlass
Papst Leo XIV. richtete seine Rede am 2. Oktober 2025 während einer Audienz an die Teilnehmenden der internationalen Konferenz „Flüchtlinge und Migranten in unserem gemeinsamen Haus“. Diese Konferenz dient als Auftakt zu einer dreijährigen Initiative mit dem Ziel, nachhaltige Antworten auf die Herausforderungen von Migration und Vertreibung zu erarbeiten. Mehr als 255 Vertreter aus über 40 Staaten, darunter Forscher, NGOs und Gemeindepartner, nehmen teil.
Die Konferenz steht in engem Zusammenhang mit dem im Heiligen Jahr geplanten Jubiläum der Migranten, das am 4. und 5. Oktober gefeiert werden soll. Neben der Audienz sind eine große Messe auf dem Petersplatz und das „Fest der Völker“ geplant.
Zentrale Botschaften
Die Gefahr der „Globalisierung der Ohnmacht“
Leo XIV. warnt vor einer Tendenz, bei humanitären Krisen in Bloßstellung, Resignation oder Gleichgültigkeit zu verfallen. Er benutzt den Begriff „Globalisierung der Ohnmacht“, eine Weiterentwicklung der Kritik seines Vorgängers an einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Während die Gleichgültigkeit meint, das Leid anderer zu ignorieren, bezeichnet die Ohnmacht eine innere Erstarrung — das Gefühl, nichts tun zu können gegenüber dem Leiden und den Herausforderungen.
Überall könne man beobachten, dass manche Menschen resignieren, verstummen oder sich in Hilflosigkeit einrichten, wenn sie die Ausmaße von Migration und Vertreibung sehen. Der Papst mahnt, dieser Haltung entgegenzuwirken.
Versöhnung als Handlungsperspektive
Als Gegenmittel schlägt Leo XIV. eine Kultur der Versöhnung vor. Diese erfordere:
- Geduld
- Bereitschaft zuzuhören
- Einfühlung in den Schmerz anderer
- Die Erkenntnis, dass wir gemeinsame Träume und Hoffnungen teilen
Der Papst ruft dazu auf, konkrete Gesten und Maßnahmen der Versöhnung zu entwickeln, besonders in Ländern, die durch lang anhaltende Konflikte verwundet sind.
Er betont, dass wir einander begegnen, indem wir unsere Wunden heilen, einander vergeben — nicht nur für das, was wir getan haben, sondern auch für das, was wir unterlassen haben. Die Versöhnung müsse auch politische Dimensionen umfassen, also Entscheidungen, die auf Heilung, Vergebung und Annäherung setzen.
Menschenwürde und Hoffnung im Zentrum
Leo XIV. stellt die Würde des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt jeder Antwort auf Migration. Bei der Entwicklung von Lösungen müsse stets gewährleistet sein, dass niemand instrumentalisiert oder zu einer Zahl reduziert wird.
Besonders hebt er hervor, dass Migranten und Flüchtlinge durch ihre Resilienz und ihren Glauben oft zu Zeugen der Hoffnung werden: Trotz Widrigkeiten bleibe der Blick auf eine bessere Zukunft gerichtet. Diese Perspektive solle uns ermutigen und inspirieren.
Struktureller Ansatz: Vier Säulen der Initiative
Leo XIV. betont, dass die Bewältigung von Migration nicht nur eine moralische oder pastorale Aufgabe ist, sondern interdisziplinäres Mitwirken erfordert. Er nennt vier Kernpfeiler, auf denen die Initiative aufgebaut sein soll:
- Lehre
- Forschung
- Dienst
- Interessenvertretung / Fürsprache
Diese vier Dimensionen sollen zusammenwirken, um tragfähige, fundierte und zugleich humane Antworten zu finden.
Herausforderungen und kritische Überlegungen
- Die Idee der Versöhnung verlangt ein gesellschaftliches Klima, in dem Vertrauen, Dialog und Heilung möglich sind — das ist in vielen Regionen, in denen Konflikte, Vertreibung und Traumata tief verwurzelt sind, eine große Herausforderung.
- Politische Realitäten, nationale Interessen und Ressourcenkonflikte könnten Versöhnungsbemühungen erschweren oder konterkarieren.
- Die Umsetzung konkreter Maßnahmen erfordert langfristiges Engagement, institutionelle Kapazitäten und finanzielle Ressourcen — oft fehlt es an politischem Willen oder Mittel.
- Es bleibt offen, wie man diejenigen einbindet, die an Grenzsicherung, Rückführungs- oder Integrationspolitik beteiligt sind — und wie man widersprüchliche Interessen in Einklang bringt.
Bedeutung und Ausblick
Die Rede Leo XIV. ist Ausdruck eines Ethos, das Migration nicht nur als Krisenphänomen, sondern als Chance zur Stärkung von Menschlichkeit und Solidarität begreift. Sein Appell, der Ohnmacht die Versöhnung entgegenzusetzen, richtet sich an Kirchenleitungen, zivilgesellschaftliche Gruppen, Expertinnen und Experten und politische Entscheidungsträger gleichermaßen.
Der Erfolg der Initiative „Flüchtlinge und Migranten in unserem gemeinsamen Haus“ hängt davon ab, ob aus Worten konkrete Projekte und sichtbare Zeichen werden, die Menschen berühren. Im Rahmen des Jubiläums der Migranten und Mission bietet sich eine Gelegenheit, diese Impulse in der kirchlichen Praxis und im gesellschaftlichen Diskurs sichtbar zu machen.
„Wir schaffen das!“ – Bilanz aus dem Erzbistum Köln
Caritas-Flüchtlingsbeauftragte Irene Porsch zieht Bilanz: Viele Geflüchtete haben in Deutschland eine neue Heimat gefunden, auch dank Initiativen wie der „Aktion Neue Nachbarn“. Zugleich spricht sie sich klar für weitere Zuwanderung und Integration aus – und fordert im Interview mit dem Kölner Domradio Solidarität sowie eine deutliche Haltung der Kirche gegen Ausgrenzung.
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