Die Programmatik der AfD – eine Kritik

Sozialethische Arbeitspapiere des ICS, Juli 2024

Hrsg: Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, Universität Münster

Darstellung und Vergleich mit Positionen der katholischen Kirche

Im Zentrum der Studie stehen die Analyse und der Vergleich der politischen Positionen der AfD mit denen der katholischen Kirche (Kapitel 3). Die sozialethischen Kommentare in den einzelnen Themenfeldern beleuchten dieses Verhältnis aus wissenschaftlicher Perspektive.

  • Geschlecht, Familie und Reproduktion: Die Studie zeigt, dass die politischen Positionen der AfD und die katholische Soziallehre in vielen ethischen Grundfragen unvereinbar sind. Insbesondere in den Bereichen Men-schenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit gibt es tiefgreifende Differenzen. Die Studie betont die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung gegenüber populistischen Hinsichtlich der Grundlagen des Sozialen wie Geschlecht, Familie und Reproduktion lehnt die AfD die „Gender-Ideologie“ ab, propagiert traditionelle Geschlechterrollen und sieht die traditionelle Familie als Grundlage der Gesellschaft. Der Abtreibung steht sie kritisch gegenüber. Die katholische Kirche unterstützt ebenfalls traditionelle Familienwerte, betont aber die Gleichberechtigung der Geschlechter und mehr soziale Gerechtigkeit. Der sozial-ethische Kommentar kritisiert das starre Verständnis der Geschlechterrollen der AfD und betont die Notwendigkeit von Gleichstellung und Inklusion sowie einen umfassenden Lebensschutz. Kritik wird hier aber auch an den Positionen der katholischen Kirche vorge-bracht, etwa wo „Gender“ wissenschaftlich falsch oder verzerrt verwendet wird, ein hierarchisiertes bzw. differenzbetonendes Geschlechterverhältnis vorliegt oder grundsätzliche Ambivalenzen in Bezug auf Grundrechte, Menschenrechte sowie reproduktive Rechte bestehen.
  • Im Bereich Zuwanderung, Asyl und Integration verfolgt die AfD eine restriktive Zuwanderungspolitik, betont die kulturelle Assimilation von Migrantinnen und lehnt eine liberale Asylpolitik ab. Demgegenüber betont die katholische Kirche die universelle Menschenwürde und die Solidarität mit Migrantinnen und Flüchtlingen und unterstützt eine offene und integrative Haltung. Sozialethisch wird die fremdenfeindliche Rhetorik der AfD kritisiert und die ethische Verpflichtung zur Unterstützung und Integration von Migrantinnen betont.
  • In Bezug auf Religionen, Identitäten und Identitätspolitik sieht die AfD das Christentum als eine der kulturellen Grundlagen einer ‚deutschen‘ Kultur und steht dem Islam, skeptisch bis explizit ablehnend gegenüber. Die katholische Kirche setzt sich für religiöse Vielfalt und interreligiösen Dialog ein und betont die Unvereinbarkeit von christlichem Glauben und nationalistischem Denken. Die sozialethische Stellungnahme hebt die Bedeutung des Schutzes der Religionsfreiheit und des interreligiösen Dialogs hervor und kritisiert die ausgrenzenden Tendenzen der AfD.
  • In der Medienpolitik kritisiert die AfD die bestehenden Medien als einseitig und fordert mehr Meinungsvielfalt, während sie sich selbst häufig als Opfer von Zensur sieht. Die katholische Kirche setzt sich für eine freie und verantwortungsvolle Medienlandschaft ein, die zur Wahrheitssuche und zum Gemeinwohl beiträgt. Kommentierend hebt die Studie die Bedeutung freier Medien für die Demokratie hervor und warnt vor der Manipulation durch populistische Kräfte.
  • In Bezug auf den Sozialstaat propagiert die AfD ein leistungsorientiertes Sozialstaatsmodell und betont die Eigenverantwortung, steht aber Sozialleistungen für Migrantinnen sowie für Personen, die selbst wenig leisten können, kritisch gegenüber. Die katholische Kirche betont die Solidarität und das Subsidiaritätsprinzip und sieht den Staat in der Verant-wortung für soziale Gerechtigkeit und die Unterstützung der Schwachen. Die Studie setzt sich kritisch mit der restriktiven Sozialpolitik der AfD auseinander und unterstreicht die Notwendigkeit umfassender sozialer Unterstützung und Solidarität.
  • In der Wirtschaftspolitik setzt die AfD auf nationale Wirtschaftsinteressen und einen freien Markt mit weniger staatlichen Eingriffen. Die katholische Kirche betont die soziale Verantwortung der Wirtschaft und ein ausgewogenes Verhältnis von Markt und staatlicher Regulierung. Der sozialethische Kommentar bekräftigt die Bedeutung einer sozial verantwortli-chen Wirtschaftspolitik und kritisiert die einseitig nationalen Interessen der AfD.
  • In Bezug auf Europa lehnt die AfD die EU in ihrer jetzigen Form ab und fordert nationale Souveränität, während die katholische Kirche die europäische Integration unterstützt und in der EU ein wichtiges Projekt für Frieden und Solidarität sieht. Aus sozialethischer Sicht wird die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit hervorgehoben, und die nationalistischen Positionen der AfD werden kritisiert.
  • In der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik setzt die AfD auf nationale Souveränität und eine starke militärische Verteidigungspolitik, während die katholische Kirche internationale Zusammenarbeit und friedliche Konfliktlösungen unterstreicht. Der sozial-ethische Kommentar kritisiert die militaristische Ausrichtung der AfD und bekräftigt die Notwendigkeit einer Politik des gerechten Friedens und internationaler Zusammenarbeit. Der Kommentar hebt dabei auch die Notwendigkeit hervor, die Grenzen der pazifistischen, Gewaltfreiheit fokussierenden Grundausrichtung der kirchlichen Friedenslehre zu erken-nen und friedensethisch weiterzuentwickeln.
  • Im ökologischen Bereich bezweifelt die AfD den anthropogenen Klimawandel und betont nationale Interessen in der Energie- und Umweltpolitik. Die katholische Kirche betont die globale Schöpfungsverantwortung und die Notwendigkeit eines globalen Klimaschutzes. Sozialethisch stellt die Studie die Klimapolitik der AfD als unzureichend dar und fordert die Notwendigkeit einer ökologisch nachhaltigen Politik.

Die Studie zeigt, dass die politischen Positionen der AfD und die katholische Soziallehre in vie-len ethischen Grundfragen unvereinbar sind. Insbesondere in den Bereichen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit gibt es tiefgreifende Differenzen. Die Studie betont die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung gegenüber populistischen und menschenverachtenden Tendenzen und plädiert für eine verstärkte gesellschaftliche und kirchliche Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Zeit.

Die Studie schließt mit ethischen Orientierungen und Handlungsempfehlungen, die sich aus der Perspektive des christlichen Glaubens und der christlichen Sozialethik ergeben. Sie hebt die Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Menschenrechte als zentrale ethische Orientierungen hervor, an denen sich politisches Handeln und gesellschaftliches Engagement messen lassen müssen. Christliche Ethik sieht eine universale Verantwortung für Gerechtigkeit und Solidarität, die sowohl individuelles als auch kollektives Handeln leitet, und unterstreicht die ‚Option für die Armen‘, die darauf zielt, die Bedürfnisse der Benachteiligten besonders zu berücksichtigen.

Die Studie wendet sich gegen populistische und extremistische Tendenzen, indem sie die Notwendigkeit unterstreicht, sich für eine inklusive und demokratische Gesellschaft einzusetzen, populistische Narrative kritisch zu hinterfragen und die Werte der Demokratie und des sozialen Zusammenhalts zu verteidigen. Abschließend wird aufgezeigt, wie wichtig es ist, langfristige Ziele und die Möglichkeit einer positiven Zukunft im Auge zu behalten, was Vertrauen in demo-kratische Prozesse und die Bereitschaft, sich aktiv für eine gerechte und solidarische Gesell-schaft einzusetzen, voraussetzt. Das Kapitel dient als Leitfaden für ein gesellschaftspolitisches Engagement, das sich an christlichen Werten orientiert und versucht, den Herausforderungen unserer Zeit mit einer Haltung der Verantwortung und Solidarität zu begegnen.


Eine kurze Zusammenfassung der Studie kann hier heruntergeladen werden (pdf Download)

Die vollständige Studie kann hier heruntergeladen werden (pdf, 197 Seiten, 1,8 MB)

Sozialethische Arbeitspapiere des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften
Marianne Heimbach-Steins / Alexander Filipović u. a.
Die Programmatik der AfD – eine Kritik.
Darstellung und Vergleich mit Positionen der katholischen Kirche
Juli 2024
Institut für Christliche Sozialwissenschaften, Universität Münster