Vergib uns unsere Schuld, schenke uns deinen Frieden

BOTSCHAFT der HOFFNUNG von Papst Franziskus anlässlich des Weltfriedenstrags am 01. Jan. 2025

I. Auf den Schrei der bedrohten Menschheit hören

Zu Beginn dieses neuen Jahres, das uns von unserem himmlischen Vater geschenkt wird, eines Heiligen Jahres, das der Hoffnung gewidmet ist, wünsche ich allen Frauen und Männern von ganzem Herzen Frieden, insbesondere denen, die aufgrund ihrer Lebenssituation niedergeschlagen sind, die sich von den eigenen Fehlern verurteilt und vom Urteil anderer erdrückt fühlen und die für ihr Leben keine Perspektive mehr erkennen. Euch allen wünsche ich Hoffnung und Frieden, denn dies ist ein Jahr der Gnade, das aus dem Herzen des Erlösers kommt!

3. Auch heute ist das Heilige Jahr ein Ereignis, das uns dazu anspornt, auf der ganzen Erde die befreiende Gerechtigkeit Gottes zu suchen. Anstatt auf das Horn wollen wir zu Beginn dieses Gnadenjahres auf den »verzweifelten Hilfeschrei« [1] hören, der wie die Stimme des Blutes Abels, des Gerechten, aus vielen Teilen der Erde aufsteigt (vgl. Gen 4,10) und auf den Gott ohne Unterlass hört. Wir wiederum fühlen uns berufen, uns zum Sprachrohr so vieler Situationen der Ausbeutung der Erde und der Unterdrückung unserer Nächsten zu machen[2] Diese Ungerechtigkeiten nehmen manchmal die Gestalt dessen an, was der heilige Johannes Paul II. als »Strukturen der Sünde« [3] bezeichnete, da sie nicht nur auf die Ungerechtigkeit einiger weniger zurückzuführen sind, sondern sich gewissermaßen verfestigt haben und auf einer weitreichenden Komplizenschaft beruhen.

Jeder von uns muss sich in gewisser Weise für die Zerstörung verantwortlich fühlen

4. Jeder von uns muss sich in gewisser Weise für die Zerstörung verantwortlich fühlen, der unser gemeinsames Haus ausgesetzt ist, angefangen bei den Handlungen, die, wenn auch nur indirekt, die Konflikte anheizen, die die Menschheit gerade geißeln. 

II. Ein kultureller Wandel: Wir sind alle Schuldner

5. Das Ereignis des Heiligen Jahres fordert uns auf, verschiedene Veränderungen vorzunehmen, um den gegenwärtigen Zustand von Ungerechtigkeit und Ungleichheit anzugehen und uns daran zu erinnern, dass die Güter der Erde nicht nur für einige wenige Privilegierte bestimmt sind, sondern für alle. 

7. Ich werde nicht müde zu wiederholen, dass die Auslandsverschuldung zu einem Kontrollinstrument geworden ist, mit dem einige Regierungen und private Finanzinstitute der reichsten Länder ohne Skrupel die menschlichen und natürlichen Ressourcen der ärmsten Länder wahllos ausbeuten, um die Nachfrage ihrer eigenen Märkte zu befriedigen[10] Hinzu kommt, dass verschiedene Völker, die bereits durch internationale Schulden belastet sind, sich gezwungen sehen, auch die Last der ökologischen Schulden der weiter entwickelten Länder zu tragen. [11] 

Ökologische Schulden und Auslandsschulden sind zwei Seiten derselben Medaille – dieser Logik der Ausbeutung, die in der Schuldenkrise gipfelt. [12] 

In Anbetracht dieses Heiligen Jahres rufe ich die internationale Gemeinschaft auf, Maßnahmen zum Erlass der Auslandsschulden zu ergreifen und dabei die Existenz von ökologischen Schulden zwischen Nord und Süd anzuerkennen. Es ist ein Aufruf zur Solidarität, aber vor allem zur Gerechtigkeit.

III. Ein Weg der Hoffnung: drei mögliche Maßnahmen

11. Deshalb möchte ich zu Beginn dieses Gnadenjahres drei Maßnahmen vorschlagen, die dem Leben ganzer Bevölkerungen ihre Würde zurückgeben und sie auf den Weg der Hoffnung zurückführen können, damit die Schuldenkrise überwunden werden kann und sich alle wieder als Schuldner erkennen, denen vergeben wurde.

  1. Durch die Anerkennung der ökologischen Schulden sollen sich die wohlhabenderen Länder dazu berufen fühlen, alles zu tun, um die Schulden jener Länder zu erlassen, die nicht in der Lage sind, ihre Schulden zurückzuzahlen.
  2. Damit dies kein isolierter Akt der Wohltätigkeit ist, der die Gefahr in sich birgt, erneut einen Teufelskreis aus Finanzierung und Verschuldung in Gang zu setzen, muss gleichzeitig eine neue Finanzarchitektur zur Schaffung einer globalen Finanzcharta entwickelt werden, die auf Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern beruht.
  3. Lasst uns wenigstens einen festen Prozentsatz des Rüstungsetats für die Einrichtung eines Weltfonds verwenden, der den Hunger endgültig beseitigen und in den ärmsten Ländern Bildungsmaßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ermöglichen soll, die dem Klimawandel entgegenwirken. [20] Wir sollten versuchen, jedes Motiv zu beseitigen, das junge Menschen dazu bringen könnte, hoffnungslos in die Zukunft zu blicken, in Erwartung das Blut ihrer Angehörigen zu rächen. Die Zukunft ist ein Geschenk, um die Fehler der Vergangenheit zu überwinden und neue Wege des Friedens zu bauen.

IV. as Ziel des Friedens

12. Wer sich durch die vorgeschlagenen Gesten auf den Weg der Hoffnung begibt, wird das so sehr ersehnte Ziel des Friedens immer näher sehen können. Der Psalmist bestätigt uns in dieser Verheißung: »Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich« ( Ps 85,11).

Wenn ich die Waffe des Kredits niederlege und einer Schwester oder einem Bruder wieder den Weg der Hoffnung eröffne, trage ich zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit Gottes auf dieser Erde bei und gehe zusammen mit diesem Menschen dem Ziel des Friedens entgegen. 

13. Möge 2025 ein Jahr sein, in dem der Frieden wächst! Jener wahre und dauerhafte Friede, der nicht bei den Spitzfindigkeiten von Verträgen oder menschlichen Kompromissen stehen bleibt. [22] Suchen wir den wahren Frieden, den Gott einem entwaffneten Herzen schenkt: 

14. Die Abrüstung des Herzens ist eine Geste, die alle betrifft, vom Ersten bis zum Letzten, von den Kleinen bis zu den Großen, von den Reichen bis zu den Armen. Manchmal reicht etwas so Einfaches wie »auch nur ein Lächeln, eine Geste der Freundschaft, ein geschwisterlicher Blick, ein aufrichtiges Zuhören, ein kostenloser Dienst«

15. Gewähre uns deinen Frieden, Herr! Mit diesem Gebet zu Gott richte ich zugleich meine Neujahrsgrüße an die Staats- und Regierungschefs, an die Verantwortlichen der internationalen Organisationen, an die Oberhäupterder verschiedenen Religionen und an alle Menschen guten Willens.

Vergib uns unsere Schuld, Herr,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,

und schenke uns in diesem Kreislauf der Vergebung deinen Frieden,

jenen Frieden, den nur du geben kannst:

denen, die ihr Herz entwaffnen lassen,

denen, die voller Hoffnung ihren Brüdern und Schwestern die Schulden nachlassen wollen,

denen, die furchtlos bekennen, dass sie bei dir in Schuld stehen,

denen, die nicht taub bleiben für den Schrei der Ärmsten.


Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2024

FRANZISKUS


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