„Diese Wirtschaft tötet“: Eine politische oder religiöse Aussage?

Polizei stoppt Pilgerweg weil politische Fahnen mitgeführt wird

Die Polizei stoppt Pilgerweg „Kreuzweg für die Schöpfung“ mit der Begründung, es werden politische Fahnen mitgeführt und deshalb sei es eine eine “nicht angemeldete, politische Versammlung”. Es geht konkret um das Banner “Diese Wirtschaft tötet” und um das Misereor-Hungertuch 2021 mit der stilisierten Röntgenaufnahme eines gebrochenen Fußes. Lesen Sie hier zu den Bericht (url-Link).

Wir sind der Sache nachgegangen:

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 4 steht:
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.

Die Organisatoren des „Kreuzweg für die Schöpfung“ berufen sich bei dem Transparent mit der Aufschrift „Diese Wirtschaft tötet“ auf das EVANGELII GAUDIUM und die Enzyklika LAUDATO SI vom Papst Franziskus. Dieser beschreibt die Wirtschaft, Ausbeutung und Wegwerfkultur und den Verlust der Artenvielfalt und benennt die Wirtschaft als Auslöser dieses Sterbens.

Wir sind der Meinung, dass eine Demonstration für ein weltanschaulichen Bekenntnisses zum Erhalt der Schöpfung eindeutig zur Ausübung von Religion gehört, insbesondere dann, wenn das Oberhaupt der kath. Kirche im Namen Gottes zur Umkehr und Bewahrung der Schöpfung aufruft.

Auszug aus dem Apostolisches Schreiben EVANGELII GAUDIUM des Heiligen Vaters Papst Franziskus (2013)

Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung

  1. Ebenso wie das Gebot „du sollst nicht töten“ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ sagen. Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht. Das ist Ausschließung. Es ist nicht mehr zu tolerieren, dass Nahrungsmittel weggeworfen werden, während es Menschen gibt, die Hunger leiden. Das ist soziale Ungleichheit. Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg. Der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann. Wir haben die „Wegwerfkultur“ eingeführt, die sogar gefördert wird. Es geht nicht mehr einfach um das Phänomen der Ausbeutung und der Unterdrückung, sondern um etwas Neues: Mit der Ausschließung ist die Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in der man lebt, an ihrer Wurzel getroffen, denn durch sie befindet man sich nicht in der Unterschicht, am Rande oder gehört zu den Machtlosen, sondern man steht draußen. Die Ausgeschlossenen sind nicht „Ausgebeutete“, sondern Müll, „Abfall“.

Download des Apostolisches Schreiben EVANGELII GAUDIUM (pdf, url-Link)

Auszug aus der Enzyklika LAUDATO SI’ von Papst Franziskus über die Sorge für das gemeinsame Haus (2015)

III. DER VERLUST DER BIOLOGISCHEN VIELFALT

  1. Die Ressourcen der Erde werden auch geplündert durch ein Verständnis der Wirtschaft und der kommerziellen und produktiven Tätigkeit, das ausschließlich das unmittelbare Ergebnis im Auge hat. Der Verlust von Wildnissen und Wäldern bringt zugleich den Verlust von Arten mit sich, die in Zukunft äußerst wichtige Ressourcen darstellen könnten, nicht nur für die Ernährung, sondern auch für die Heilung von Krankheiten und für vielfältige Dienste. Die verschiedenen Arten enthalten Gene, die Ressourcen mit einer Schlüsselfunktion sein können, um in der Zukunft irgendeinem menschlichen Bedürfnis abzuhelfen oder um irgendein Umweltproblem zu lösen.
  2. Doch es genügt nicht, an die verschiedenen Arten nur als eventuelle nutzbare „Ressourcen“ zu denken und zu vergessen, dass sie einen Eigenwert besitzen. Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.

Download der Enzyklika LAUDATO SI’ von Papst Franziskus (pdf, url-Link)

Auch das Mitführen des Misereor-Hungertuchs wurde auf dem Pilgerweg durch NRW untersagt. Selbst die schemenhafte, künstlerisch interpretierte Röntgenaufnahme eines gebrochenen Fußes scheint eine nicht genehmigte politische Aussagen zu enthalten. (Bild vom Hungertuch; url-Link).

Lesen Sie weitere Stellungnahmen zum Thema „Schöpfung bewahren“ auch von der Dt. Bischofskonferenz auf der Unterseite „Sorge um das gemeinsame Haus“ (url-Link)


Pressemitteilung von Christians for Future

Aachen, 24.07.2021 – Wir sind zutiefst schockiert von der polizeilichen Gewalt gegen die Pilger*innen des Kreuzwegs für die Schöpfung. Wir sind heute in Gedanken und Gebeten bei den Verletzten und unseren pilgernden Geschwistern und hoffen, dass sie bald gesund werden und alle das Erlebte gut verarbeiten. 

Der “Kreuzweg für die Schöpfung” pilgert nun schon seit 20 Tagen durch Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Prägender Aspekt des Weges sind unzählige Reisesegen, Andachten und Gottesdienste. Ein ganz besonderer Teil davon sind auch die vielen Begegnungen mit den Kirchengemeinden vor Ort, wie auch z. B. mit dem Landesbischof von Hannover.

Der gestrige Vorfall füllt uns mit Sorge um den Stand der Religionsfreiheit. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, die Inhalte von Religionsausübung zu bewerten, solange keine höheren Güter gefährdet sind. Dies gilt auch, wenn im Rahmen der Religionsausübung fehlende Klimagerechtigkeit thematisiert wird, denn diese ist ein wichtiges Thema aktueller christlicher Reflexion. Wir sind zudem schockiert, wie die Polizei bei ihrem Vorgehen gegen die freie und friedliche Religionsausübung sogar vor Gewalt nicht zurück scheut und am Ende eine Presbyterin im Krankenhaus landet. Wir werden uns aber auch in Zukunft nicht davon abhalten lassen, unsere Religion auszuüben und dabei, wie es in unseren Augen der christliche Glaube verlangt, auch deutlich für Klimagerechtigkeit Stellung einzunehmen.

Für Rückfragen: presse@christians4future.org (url-Link zur Webseite)