Eine lebenswerte Stadtgesellschaft … – ein Kommentar von FJ Klausdeinken

Ökologisch, sozial und gerecht
Eine lebenswerte Stadtgesellschaft ist mehr als nur eine Ansammlung von Gebäuden, Straßen und Parks – sie ist ein Versprechen auf gemeinsames Leben unter gerechten Bedingungen. Ökologisch, sozial und gerecht zu sein bedeutet, die Bedürfnisse der Menschen und des Planeten zusammenzudenken.
Eine ökologische Stadt
Eine ökologische Stadt setzt auf nachhaltige Mobilität, kurze Wege und eine Bauweise, die Ressourcen schont. Sie schafft Grünräume, die nicht nur schmücken, sondern kühlen, Wasser speichern und Orte der Begegnung bieten. Öffentliche Verkehrsmittel sind zuverlässig, günstig und barrierefrei, der Autoverkehr nimmt ab, Rad- und Fußwege gewinnen Raum. Energie wird erneuerbar produziert, Dächer sind begrünt, Fassaden lebendig. Doch ökologische Stadtpolitik ist nicht nur Klimaschutz, sie ist auch soziale Daseinsvorsorge – saubere Luft, Schatten, Ruhe und Sicherheit dürfen keine Privilegien für Wohlhabende sein.
Eine soziale Stadtgesellschaft
Eine soziale Stadtgesellschaft erkennt, dass Wohnen, Arbeiten und Teilhabe Grundrechte sind. Sie sorgt für bezahlbaren Wohnraum, verhindert Verdrängung und schützt Mieterinnen und Mieter. Arbeit ist hier mehr als Erwerb – sie bedeutet Anerkennung, Mitbestimmung und soziale Sicherheit. Gute Bildung, Gesundheitsversorgung und Kultur stehen allen offen, unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Aufenthaltsstatus. So entsteht ein solidarisches Miteinander, in dem niemand unsichtbar bleibt.
Eine gerechte Stadt schließlich verteilt Macht, Raum und Chancen neu. Sie stellt sich gegen die Logik der Ausgrenzung – ob nach Einkommen, Geschlecht, Herkunft oder Alter. Sie ermöglicht Beteiligung und Mitsprache, besonders für jene, die sonst übersehen werden. Eine gerechte Stadt schafft Orte, an denen Menschen sich begegnen können, ohne konsumieren zu müssen, und wo Vielfalt als Teil des Gemeinsamen verstanden wird.
Eine lebenswerte Stadtgesellschaft
Eine lebenswerte Stadtgesellschaft denkt Zukunft inklusiv: Sie schützt das Klima, fördert Zusammenhalt und setzt auf geteilte Verantwortung. Sie ist laut, bunt, widersprüchlich – aber solidarisch. Eine Stadt, in der man nicht nur leben kann, sondern auch leben will.
Eine gerechte, solidarische Gesellschaft würde nicht über Herkunft oder Zugehörigkeit verhandeln, sondern über die Verteilung von Macht, Grundrechten und Chancen.
Ein verzerrtes Stadtbild: Wenn soziale Fragen in kulturelle Klischees übersetzt werden
Die jüngste Aussage des Bundeskanzlers zum Thema Stadtbild ist mehr als nur unglücklich. Sie verknüpft Fragen von Migration und Abschiebung mit einem diffusen Unbehagen über das urbane Zusammenleben – und schiebt die Verantwortung für gesellschaftliche Spannungen auf jene, die ohnehin am Rand stehen. So entsteht kein politischer Weitblick, sondern ein spaltendes Narrativ, das Probleme personalisiert statt sie zu analysieren.
Denn der kritische Blick auf unsere Städte zeigt etwas anderes: Wohnungsknappheit, prekäre Arbeitsverhältnisse, ein immer härterer Markt, der soziale Sicherheiten erodieren lässt. Wer in deutschen Städten wohnen, arbeiten und bleiben darf – und wer nicht –, ist längst eine Frage ökonomischer Macht und politischer Entscheidungen. Doch die Rede vom „Stadtbild“ verschiebt diese Konflikte in kulturelle Kategorien. Sie macht aus struktureller Ungleichheit ein ästhetisches Problem.
„Fragen Sie mal Ihre Töchter“ fordert Friedrich Merz weiter auf. Damit wird ein gefährliches Bild heraufbeschworen: der migrantische Mann als triebhaft und gefährlich, der deutsche Mann als zivilisiert und schützend. Dieses Narrativ ist nicht nur rassistisch, sondern auch sexistisch. Denn das eigentliche Männerproblem liegt anderswo – in ungleicher Bezahlung, unbezahlter Sorgearbeit, geschlechtsspezifischer Gewalt und mangelnder Teilhabe.
Eine gerechte, solidarische Gesellschaft würde nicht über Herkunft oder Zugehörigkeit verhandeln, sondern über die Verteilung von Macht, Grundrechten und Chancen. Wenn wir über das Stadtbild sprechen, sollten wir über genau das reden: über Strukturen, nicht über Stereotype – und über Visionen, die verbinden statt spalten.