Kommentar von FJ Klausdeinken anlässlich des Welttags der Gletscher am 21. März und dem Prozess Saúl Luciano Lliuya gegen RWE
Internationales Jahr des Gletscherschutzes 2025
Der weltweite Gletscherschwund ist eines der sichtbarsten Zeichen der Klimakrise – und eine ernste Bedrohung für das Leben auf der Erde.
… das Schmelzen der Gletscher können von einem Menschen während seiner Lebenszeit leicht wahrgenommen werden und wahrscheinlich werden in wenigen Jahren viele Menschen aufgrund dieser Ereignisse umsiedeln müssen. (Laudate Deum, 6)
25 m dicker Eisblock so groß wie Deutschland verschwunden
Laut dem Welt-Gletscher-Beobachtungsdienst (WGMS) der Universität Zürich haben die Gletscher seit 1976 weltweit knapp 9.200 Gigatonnen Eis verloren. Das entspreche einem 25 Meter dicken Eisblock von der Größe Deutschlands.
Laut Weltwetterorganisation (WMO) gehen mit der schwindene Eismassen erhebliche Mengen Süßwasser verloren, auf das Millionen Erdbewohner weltweit angewiesen sind: zum Trinken, für die Landwirtschaft und die Industrie. Das zieht eine Kette von dramatischen Konsequenzen nach sich, die bereits jetzt spürbar sind und sich in den kommenden Jahrzehnten verschärfen werden.
Bedrohung der Trinkwasserversorgung
Eine der gravierendsten Folgen ist die Bedrohung der Trinkwasserversorgung. Gletscher sind natürliche Wasserspeicher, die in Trockenzeiten lebenswichtige Reserven freisetzen. Schmelzen sie zu schnell, führen sie zunächst zu Überschwemmungen, doch langfristig drohen ganze Regionen – insbesondere in Asien und Südamerika – zu verdorren. Millionen von Menschen, die auf Gletscherwasser angewiesen sind, stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Anstieg des Meeresspiegels
Hinzu kommt der Anstieg des Meeresspiegels. Bereits jetzt steigen die Ozeane schneller als erwartet, wodurch Küstenregionen und Inselstaaten existenziell bedroht sind. Überschwemmungen, Bodenerosion und der Verlust von Lebensräumen werden zunehmend zur Realität. Die Weltbank warnt, dass bis 2050 bis zu 216 Millionen Menschen durch den Klimawandel zur Migration gezwungen sein könnten – ein großer Teil davon aufgrund steigender Meere.
Ozeanzirkulation aus dem Gleichgewicht
Auch die Ozeanzirkulation gerät durch das Abschmelzen der Gletscher aus dem Gleichgewicht. Das kalte Süßwasser, das in die Meere strömt, beeinflusst Meeresströmungen wie den Golfstrom, die für das globale Klima entscheidend sind. Eine Abschwächung dieser Strömungen könnte extreme Wetterereignisse verstärken und landwirtschaftliche Bedingungen massiv verändern.
Biodiversität leidet
Nicht zuletzt leidet die Biodiversität unter den Folgen des Gletscherschwunds. Viele alpine und polare Ökosysteme sind auf kalte Temperaturen und stabile Wasserversorgung angewiesen. Das Verschwinden der Gletscher bedeutet für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten den Verlust ihres Lebensraums.
Kirchen mahnen zum Handeln
Angesichts dieser alarmierenden Entwicklungen mahnen auch die Kirchen zum Handeln. Papst Franziskus betont in seiner Enzyklika Laudato Si’:
Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten. Doch wir sind berufen, die Werkzeuge Gottes des Vaters zu sein, damit unser Planet das sei, was Er sich erträumte, als Er ihn erschuf, und seinem Plan des Friedens, der Schönheit und der Fülle entspreche. (Laudato Si, 53)
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland fordert eine konsequente Klimapolitik:
„Die Schöpfung ist uns anvertraut – es ist unsere Aufgabe, sie zu bewahren.“ (Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung, EKD)
Weckruf nach tiefgreifender Umkehr
Diese Worte sind ein dringender Weckruf. Die Zeit des Zögerns ist vorbei. Nur durch eine tiefgreifende Umkehr und einen nachhaltigen Wandel unseres Lebensstils können wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch verhindern. Wir müssen unseren Energieverbrauch drastisch senken, auf erneuerbare Ressourcen setzen und Verantwortung für unseren Planeten übernehmen – bevor es zu spät ist.
Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
Die Forderungen, die überall auf der Welt von unten kommen, wo sich engagierte Personen aus den unterschiedlichsten Ländern gegenseitig helfen und begleiten, können letztlich Druck auf die Machtverhältnisse ausüben. (Laudate Deum, 38)
Es ist also festzustellen, dass es durchaus hilft, große Transformationsprozesse in Gang zu setzen, die aus der Tiefe der Gesellschaft heraus wirken, auch wenn dies quantitativ gesehen nicht unmittelbar zu sehr relevanten Auswirkungen führt. (Laudate Deum, 71)

Wasser- und Stromversorgung in Gefahr
Insgesamt haben die Schweizer Gletscher in den vergangenen 25 Jahren 38 Prozent ihres Eisvolumens verloren. Das hat dramatisch Folgen für die für die Wasser- und Stromversorgung. In der Schweiz werden knapp 60 Prozent des Stroms mit Wasserkraftwerken erzeugt. Nach Auskunft der Internationalen Kommission trinken ca. 30 Millionen Menschen aufbereitetes Rheinwasser.
Gletscherschmelze führt zu Niedrigwasser im Rhein
Das Niedrigwasser im Rhein 2018 habe einen wirtschaftlichen Schaden von etwa zehn Milliarden Euro verursacht, weil Frachtschiffe gar nicht mehr oder nur mit weniger Last fahren konnten, erinnert Seibert. „Wenn ein Fluss wie der Rhein, an dessen Ufer viel Industrie angesiedelt ist, Niedrigwasser hat, dann trifft das Industrie und Verbraucher empfindlich. 2018 waren beispielsweise die Benzinpreise explodiert, weil auf dem Rhein Schiffe nicht mit voller Ladung fahren konnten.“
Weiterlesen auf www.tagesschau.de (url-Link)

Himalaya – „Wasserturm Asiens“
Die Gletscherschmelze im Himalaya bedroht besonders viele Menschen, weil das Gebirge als „Wasserturm Asiens“ gilt und die Quelle vieler großer Flüsse ist, die hunderte Millionen Menschen mit Wasser versorgen. Das rapide Abschmelzen der Gletscher führt zunächst zu verstärkten Überschwemmungen und Gletscherseeausbrüchen, während langfristig Wasserknappheit droht.
Die größten Flüsse, die im Himalaya entspringen:
- Indus – Fließt durch China (Tibet), Indien und Pakistan.
- Ganges – Hauptfluss in Indien und Bangladesch, lebenswichtig für Millionen.
- Brahmaputra – Durchfließt Tibet (China), Indien und Bangladesch.
- Yangtze – Der längste Fluss Chinas, entspringt im tibetischen Hochland.
- Mekong – Fließt durch China, Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam.
- Gelber Fluss (Huang He) – Zweitlängster Fluss Chinas, entspringt im Hochland von Tibet.
- Salween – Durchquert China, Myanmar und Thailand.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Über 1,9 Milliarden Menschen leben im Einzugsgebiet dieser Flüsse
- Der Ganges-Brahmaputra-Flussraum allein versorgt über 600 Millionen Menschen mit Wasser.
- Rund 300 Millionen Menschen sind vom Indus abhängig, vor allem in Pakistan und Indien.
- Der Yangtze in China sichert die Wasserversorgung von 400 Millionen Menschen.
- Der Mekong versorgt etwa 70 Millionen Menschen in Südostasien.
„eine Frage des Überlebens“
Das Abschmelzen der Gletscher im Himalaya gefährdet somit die Wasserversorgung, Landwirtschaft, Stromproduktion (durch Wasserkraftwerke) und das ökologische Gleichgewicht ganzer Regionen. Wissenschaftler warnen, dass viele Gletscher bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 80% ihrer Masse verlieren könnten, was dramatische Folgen für Millionen Menschen hätte.
Eine Frage des Überlebens
Zwei Drittel der bewässerungsabhängigen Landwirtschaft weltweit sollen laut der UN von der Gletscherschmelze beeinflusst werden. Die Schmelze ist nicht nur eine „ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche“ Angelegenheit sondern der Erhalt der Gletscher ist auch „eine Frage des Überlebens“, so der WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo.

Der Fall Saúl Luciano Lliuya gegen RWE
Saúl Luciano Lliuya, ein peruanischer Bergführer aus der Stadt Huaraz, sieht sein Leben und seine Existenzgrundlage durch den Klimawandel bedroht. Ein besonders akutes Risiko stellt der Gletschersee Palcacocha dar, der durch die steigenden Temperaturen infolge der globalen Erwärmung kontinuierlich wächst. Die Gefahr besteht darin, dass das Gletschereis in den See stürzt und eine katastrophale Flutwelle auslöst, die die tiefer gelegene Stadt Huaraz, in der Lliuya lebt, schwer schädigen oder sogar zerstören könnte.
Der Klimawandel führt insbesondere in den Anden zu einem beschleunigten Abschmelzen der Gletscher. Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass die menschengemachte Erderwärmung die Hauptursache für diese Entwicklung ist. Da Lliuya direkt von den Konsequenzen betroffen ist, entschloss er sich, gegen den deutschen Energiekonzern RWE vor Gericht zu ziehen. Seine Klage vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm ist ein international beachtetes Beispiel für Klimagerechtigkeit und die Frage der Verantwortung großer Emittenten.
Lliuya argumentiert, dass RWE als einer der weltweit größten CO2-Emittenten eine Mitschuld am Klimawandel trägt. Er fordert von dem Konzern eine finanzielle Beteiligung an Schutzmaßnahmen für seine Heimatstadt. Sein Anliegen ist es, dass Unternehmen, die erheblich zur globalen Erwärmung beitragen, auch Verantwortung für die daraus entstehenden Schäden übernehmen.
Das Verfahren vor dem OLG Hamm stellt einen juristischen Präzedenzfall dar. Während in der ersten Instanz die Klage abgewiesen wurde, entschied das Oberlandesgericht, dass der Fall in die Beweisaufnahme geht. Damit wird geprüft, ob ein direkter Zusammenhang zwischen den Emissionen von RWE und der konkreten Bedrohung in Huaraz besteht.
Die Klage von Saúl Luciano Lliuya hat weltweit Aufmerksamkeit erregt und könnte wegweisend für künftige Klimaklagen sein. Sie verdeutlicht, dass der Klimawandel nicht nur eine abstrakte Bedrohung ist, sondern bereits jetzt das Leben vieler Menschen unmittelbar gefährdet. Ob Unternehmen wie RWE für ihre historischen Emissionen haften müssen, wird letztlich auch richtungsweisend für die internationale Klimapolitik sein.

Bild: Alpenregion heute (Telekom)
In den österreichischen Alpen bedroht der Klimawandel nicht nur Skihütten: Wenn der Permafrost schmilzt, kann keine Schneekanone den Tourismus retten. Die Häufigkeit extremer Wetterereignisse und Erdrutsche könnte zunehmen.
Telekom und Miniaturwunderland machen Klimawandel sichtbar (url-Link)

Bild: Alpenregion bei +5 °C (Telekom)