Krisenzeit zwingt zur Frage: Wie wollen wir landwirtschaften?

Wort von Weihbischof Lohmann an Landwirtinnen und Landwirte

Ukraine-Krieg verschärft globale Ernährungslage

Durch die Auswirkungen dieses Krieges geraten Themen auf die Tagesordnung und ins breite gesellschaftliche Bewusstsein, die uns zuvor als „geregelt“ schienen. Wir sprechen wieder über den Hunger. Ganz unmittelbar betroffen sind die Menschen in der Ukraine, deren Lebensmittelversorgung, etwa weil sie in von der russischen Armee eingeschlossenen Städten leben, nicht mehr gesichert ist und die dringend auf Hilfe angewiesen sind. Im ukrainischen Kriegsgebiet, der „Kornkammer Europas“, fällt ein Großteil der Ernte aus, denn wer bestellt schon in den Wirren des Krieges seine Felder. Dazu kommt der nun stark eingeschränkte Handel mit Russland, dem größten Weizenexporteur der Welt, wodurch die Preise in die Höhe schießen. Expertinnen und Experten warnen davor, dass deshalb in naher Zukunft viele Menschen etwa im Nahen Osten und in Nordafrika vom Hunger bedroht sind, die derzeit noch gerade so über die Runden kommen. In vielen Ländern treffen diese globalen Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf bereits bestehende prekäre Ernährungslagen, die durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, durch Krieg, Terror und Klimawandel verursacht wurden. Es steht zu befürchten, dass der Ukraine-Krieg über die globale wirtschaftliche Verflechtung zusätzliche, verheerende Folgen in vielen Länder auslösen wird. Hier braucht es internationale Solidarität und Lösungen, die multilateral gut koordiniert sind.

Krisenzeit zwingt zur Frage: Wie wollen wir landwirtschaften?

Als „Umweltbischof“ der Deutschen Bischofskonferenz ist es mir wichtig, dass der Klima- und Umweltschutz auch in der akuten Krise nicht das Nachsehen hat. Papst Franziskus betont unsere Verantwortung für die Schöpfung in seinen Reden und Schriften immer wieder. Wir müssen daher die sich abzeichnende, globale Nahrungsmittelkrise so bewältigen, dass dadurch nicht künftigen Krisen Vorschub geleistet wird. Die Befunde der Wissenschaft, dass unsere aktuelle Lebens- und Wirtschaftsweise mittel- und langfristig nicht nur viele Pflanzen- und Tierarten in ihrer Existenz, sondern ebenfalls die Grundlage unserer Ernährung bedroht, bleiben wegweisend. Auch der Klimawandel birgt die Gefahr, in Zukunft unsere und die globalen Ernten zu mindern. Insofern gilt es, in der aktuellen Lage klug abzuwägen. Wäre es nicht beispielsweise angemessen, dem Anbau und der Herstellung pflanzlicher Lebensmittel Vorrang vor dem Anbau von Futtermitteln zu geben und die Nutztierbestände tendenziell zu verkleinern? So ließe sich jedenfalls mehr Nahrung für mehr Menschen auf dieser Erde produzieren. Ich denke, dass man über solche Ansätze ernsthaft, aufrichtig und lösungsorientiert sprechen sollte.

Maßhalten beim Fleischkonsum geboten

Ethisch jedenfalls ist ein Maßhalten beim Fleischkonsum dringend geboten – wobei es wohlgemerkt nicht um den völligen Verzicht geht, sondern um eine Reduzierung des gegenwärtigen Fleischkonsums. Ethisch ohnehin inakzeptabel ist die Verschwendung von Lebensmitteln, die immer noch in beklagenswertem Umfang stattfindet. Wie kann diese weiter reduziert werden? An diesen Themen muss konsequent und aus aktuellem Anlass mit neuer Dringlichkeit gearbeitet werden, und zwar gemeinsam mit allen Beteiligten. Hierzu gehören die Landwirtinnen und Landwirte, von denen sich viele ohnehin schon in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befinden, die sich nunmehr durch die hohen Preise für Kraftstoffe und Düngemittel noch verschärft. Zu diesen Beteiligten gehören aber auch die Politik, der Handel und die Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Das gesamte Grußwort vom 17.04.22 auf www.agrarheute.com (url-Link)


Vom Wert der Vielfalt – Biodiversität als Bewährungsprobe der Schöpfungsverantwortung (DBK 2021)

Der Rückgang der Biodiversität ist neben dem Klimawandel die zweite große ökologische Krise unserer Zeit. Ganze Ökosysteme sind gefährdet, große Gebiete des Regenwaldes im Amazonasgebiet werden vernichtet und weltweit drohen viele Tier- und Insektenarten auszusterben. Faktenbasiert lässt sich feststellen, dass diese bedrohlichen Entwicklungen vor allem strukturell in einem direkten Zusammenhang mit unserer Lebensweise stehen. Nicht zuletzt benennt die Wissenschaft auf der Suche nach den Ursachen der Corona-Pandemie immer wieder die Problematik des aggressiven Eindringens des Menschen in die Natur. Es ist offensichtlich, dass wir auch unser eigenes Risiko erhöhen, wenn wir die Lebensräume von Tieren und Pflanzen zerstören.

Papst Franziskus hat uns bereits mit seinem ersten Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium (2013) auf die Bedeutung der Biodiversität hingewiesen: „Es gibt noch andere schwache und schutzlose Wesen, die wirtschaftlichen Interessen oder einer wahllosen Ausnutzung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Ich beziehe mich auf die Gesamtheit der Schöpfung. Wir sind als Menschen nicht bloß Nutznießer, sondern Hüter der anderen Geschöpfe.“ In seiner Botschaft zum Weltgebetstag zur Bewahrung der Schöpfung 2020 hat der Papst daran erinnert, „dass wir ein Teil und nicht etwa die Herren des großen Lebenszusammenhanges sind“. Schon diese wenigen Äußerungen machen deutlich, dass die Biodiversität und ihre Krise auch anthropologische und theologische Fragen betreffen. Folglich sind wir aufgefordert, uns mit der Rolle des Menschen und seiner Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung auseinanderzusetzen.

Quelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Vom Wert der Vielfalt, Arbeitshilfen Nr. 323, 2021; Download (pdf 1,99 MB)