Die Bedeutung der Kirche für die Friedlichen Revolution 1989

Ein Kommentar von FJ Klausdeinken

Die Friedliche Revolution von 1989 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war ein historischer Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Sie führte zum Ende des kommunistischen Regimes in der DDR und ebnete den Weg für die Wiedervereinigung Deutschlands. Ein entscheidender Akteur in diesem Prozess war die Kirche, insbesondere die evangelische Kirche. Ihre Rolle war vielfältig: Sie bot einen geschützten Raum für Oppositionelle, vermittelte Werte der Gerechtigkeit und des Friedens und trug durch ihre Haltung zur politischen und gesellschaftlichen Transformation bei.

Die Kirche als Ort der Versammlung und des Widerstands

In den 1980er Jahren war die DDR ein autoritär regiertes Land, in dem politische und gesellschaftliche Freiheiten stark eingeschränkt waren. Die Kirche, besonders die evangelischen Kirchen, war eine der wenigen Institutionen, die relativ unabhängig agieren konnte. Sie war nicht nur ein religiöser Ort, sondern auch ein Raum für alternative politische Ideen und einen gewissen Widerstand gegen das Regime.

In der DDR existierte eine wachsende Zahl von Dissidenten, die sich zunehmend für Menschenrechte, politische Freiheit und den Abbau des kommunistischen Regimes einsetzten. Die Kirchen boten nicht nur spirituelle Unterstützung, sondern auch Schutz und Rückzugsorte für diese oppositionellen Kräfte. Besonders hervorzuheben sind die „Kirchenasyle“ und die „Friedensgebete“ in den Kirchengemeinden. In Städten wie Leipzig, wo 1989 die berühmten Montagsdemonstrationen ihren Ursprung hatten, fanden in den Kirchen regelmäßig Friedensgebete statt. Diese Gebete waren ein sicherer Ort, um sich über die politischen Missstände auszutauschen, sich zu vernetzen und einen Widerstand gegen die Regierung zu organisieren.

Der Einfluss von „Friedensgebeten“ und „Montagsdemonstrationen“

Die Friedensgebete in den Kirchen waren eine Form des stillen Widerstands. In der Kirche konnten sich Menschen ohne die ständige Gefahr der Überwachung durch das Staatssicherheitssystem (Stasi) versammeln. Ab 1982 fand in der Nikolaikirche in Leipzig, einem Zentrum des kirchlichen Widerstands, regelmäßig ein Friedensgebet statt. Diese Gebete wurden zu einem Symbol für die friedliche Auseinandersetzung mit dem Regime. 1989 nahmen die Montagsdemonstrationen in Leipzig ihren Anfang, die sich zunehmend von der Kirche in die Straßen ausweiteten. Die Kirche, die zu dieser Zeit eine zentrale Rolle im politischen Prozess spielte, begleitete die Demonstrationen mit einer friedlichen Botschaft und trug damit maßgeblich zur Gewaltlosigkeit bei.

Der Mut der Kirchenführer

Besonders die Führungspersönlichkeiten der Kirche, wie der Leipziger Pfarrer Christian Führer und der Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Emanuel Gruber, standen dem Regime kritisch gegenüber. Sie verstanden die Kirche als moralische Instanz und als Hüterin der Menschenrechte. Sie brachten sich aktiv in den Dialog zwischen der Opposition und der Regierung ein und versuchten, einen friedlichen Wandel zu fördern.

Der Leipziger Pfarrer Christian Führer spielte eine Schlüsselrolle in der Organisation der Friedensgebete. Im Oktober 1989, als die Proteste wuchsen, rief er dazu auf, die Demonstrationen friedlich und gewaltfrei zu gestalten, was eine wichtige Botschaft an die Demonstranten war. Er sprach in einer Zeit, in der der Staat mit Gewalt gegen die Bürger vorzugehen drohte, und konnte damit die Aufrechterhaltung der Zivilcourage ohne Eskalation sichern.

Die Kirche als Vermittlerin im politischen Prozess

Die Kirche fungierte auch als Vermittlerin zwischen den Regierenden und der Opposition. In der Zeit der Friedlichen Revolution 1989 kamen immer wieder Gespräche zwischen kirchlichen Vertretern und der Staatsführung zustande. Besonders zu erwähnen ist das Gespräch zwischen dem DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow und dem Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Emanuel Gruber. Die Kirche half in dieser Phase, den politischen Dialog zu fördern und eine Brücke zwischen den verschiedenen politischen Lagern zu schlagen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Kirchen machte sie zu einem neutralen Vermittler, der auch von der Staatsführung respektiert wurde.

Der Beitrag zur Gewaltlosigkeit

Ein weiteres prägendes Merkmal der Rolle der Kirche während der Friedlichen Revolution war die Förderung der Gewaltlosigkeit. Während die DDR-Führung versuchte, die aufkommenden Proteste mit Polizeigewalt zu unterdrücken, plädierten die kirchlichen Vertreter für einen gewaltfreien Widerstand. Die Kirchen und ihre Vertreter trugen durch ihre Präsenz und ihre Botschaften dazu bei, dass die Demonstrationen größtenteils friedlich blieben und keine eskalierenden Auseinandersetzungen stattfanden.

Diese Haltung der Gewaltfreiheit war nicht nur eine moralische Position, sondern auch eine kluge politische Strategie. Die Massenproteste, die mit den Montagsdemonstrationen begannen, weiteten sich schnell auf andere Städte aus und drängten die Regierung zu Zugeständnissen. Die friedliche Haltung der Kirchenmitglieder half dabei, das Vertrauen der Bevölkerung in den politischen Wandel zu stärken.

Fazit: Die Kirche als zivilgesellschaftlicher Akteur

Die Rolle der Kirche in der Friedlichen Revolution von 1989 war nicht nur die eines religiösen Rückzugsortes, sondern auch die einer politischen Instanz, die zur Veränderung des Systems beitrug. Sie war ein zentraler Bestandteil der zivilgesellschaftlichen Bewegung, die sich gegen das autoritäre Regime stellte. Ihre Rolle als Ort des Widerstands, der Friedensgebete, der Vermittlung und der Förderung der Gewaltfreiheit war entscheidend für den Erfolg der Friedlichen Revolution. Ohne die Unterstützung und den Mut vieler Kirchenvertreter und Gläubigen wäre der friedliche Verlauf des Umbruchs möglicherweise nicht möglich gewesen. Die Kirche zeigte sich als eine der tragenden Säulen der Revolution und trug wesentlich zur Öffnung des kommunistischen Systems bei, das schließlich zum Fall der Berliner Mauer und zur Wiedervereinigung Deutschlands führte.

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