Die Zukunft der Kirchen – zwischen Bedeutungsverlust und Neuverortung in einer vielfältigen Gesellschaft

Religionsmonitors 2023, Studie der Bertelsmann Stiftung

Bertelsmann Stiftung

Jedes vierte Kirchenmitglied in Deutschland denkt über Austritt nach – davon sind 66% katholisch und 33% evangelisch

Der Trend sinkender Mitgliedszahlen in den christlichen Kirchen in Deutschland hält an. Das zeigen erste Daten aus unserem neuen Religionsmonitor 2023. Zugleich sind sich viele Menschen einig: Man kann auch ohne Kirche Christ sein. Das könnte die Bedeutung der Kirchen in der Gesellschaft auf Dauer verändern.

Die Kirchen bieten gerade in Krisenzeiten wichtige Räume, um Hilfe zu finden und Hilfe zu leisten. Gleichzeitig nimmt die Bindung der Menschen in Deutschland an die Kirchen ab. Insbesondere Katholik:innen erwägen einen Kirchenaustritt. Dies zeigt eine erste Auswertung von Daten unseres Religionsmonitors 2023. Sie beschäftigt sich speziell mit den traditionellen Formen der Religiosität und der Rolle der christlichen Kirchen in Deutschland.

  • Austrittswillige äußern Vertrauensverlust in Kirchen
  • Man kann auch ohne (Amts-)Kirche Christ sein
  • Stellenwert der Kirchen in der Gesellschaft verändert sich

Die Gleichung ‚religiös = kirchlich‘ gilt für sehr viele Menschen nicht mehr.

Die Abwendung von den Kirchen bedeutet nicht unbedingt zugleich eine Abwendung von Religion generell: 92 Prozent derer, die austreten wollen, stimmen der Aussage zu, dass „man auch ohne Kirche Christ sein“ könne. Selbst unter den Mitgliedern ohne Austrittsabsicht bekräftigen 84 Prozent diese Aussage. „Hier zeigt sich: Die Gleichung ‚religiös = kirchlich‘ gilt für sehr viele Menschen nicht mehr“, sagt El-Menouar.

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Religionsmonitors 2023 – eine Vorschau, Bertelsmann Stiftung, Dez 2022 (pdf, 8 Seiten, url-Link)



ein Kommentar von F.-J. Klausdeinken

Kirche ohne Illusionen aber mit Visionen

Die Säkularisierung schreitet voran und die Kirchen verlieren an gesellschaftlicher Relevanz. Die traditionellen kirchlichen Formen der Religiosität werden durch privatere Formen der Spiritualität ersetzt. Eine zunehmend kritische Sicht vieler Mitglieder auf die Kirche fordert einen deutlichen Wandel. Nur so kann der Verlust an Glaubwürdigkeit wieder hergestellt werden.

Die Gestaltung des sozialen und ökologischen Wandels fordert uns als Gesellschaft heraus. Hier haben Kirchen und Christ:innen wichtige Botschaften.

Es braucht konkrete Herausforderungen, die die Menschen bewegen, berühren und jetzt in Aktion versetzen. Es braucht konkrete Beispiele, wie Taufberufung und Beteiligung gelebt werden können. Es braucht konkrete Projekte, Vernetzungen und Erfolgserlebnisse, die ansteckend sind und die frohe Botschaft in die Welt tragen.

  • Visionen benennen, Begeisterung wecken
  • Den Menschen nah sein
  • Gemeinsam Ziele auf Augenhöhe
  • Vernetzung fördern – Menschen befähigen
  • angsteckend sein

Am konkreten Handeln soll man uns erkennen!

„Um die Menschen wieder stärker an die Kirche heranzuführen, bieten sich derzeit vor allem sozial- ökologische Themen, für die sich viele Katholiken interessieren, und das soziale Engagement der Kirche an:

  1. Sozialkaritatives Handeln wird in allen Milieus deutlich als Erwartung an die Kirche formuliert. Gleichzeitig hat die Kirche auch in allen Milieus Rückhalt bei ihrem karitativen Engagement und ihrem Einsatz für den Frieden. Soziale Gerechtigkeit gilt in allen Lebensweiten als ein äußerst interessantes Thema – und als ein Thema, zu dem die Kirche Stellung beziehen sollte. Mit diesem Thema kann die Kirche also punkten, ohne mit starken milieuspezifischen Streuverlusten in der Kommunikation rechnen zu müssen.
  2. Die Themen Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz werden ebenfalls in den meisten Milieus mehrheitlich als interessant eingestuft und sollten daher stärker aufgegriffen werden (z.B. im Diskurs um die menschliche Verantwortung für die Schöpfung) – hier sind vor allem die modernen Leitmilieus (Performer, Expeditive) und die sozialökologischen Milieus wichtige Kommunikationszielgruppen. Im Vergleich zu den oben genannten sozialen Themen sind allerdings weniger Katholiken der Meinung, dass die Kirche zu ökologischen Themen öffentlich Stellung beziehen sollte. Vor diesem Hintergrund der zweifelsfrei stetig steigenden Relevanz der Bewältigung ökologischer Herausforderungen sind wir der Ansicht, dass die Kirche auch dieses Thema stärker besetzen sollte.“ [MDG Trendmonitor, S. 378]