Klimaschutz als Menschenrecht: das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht und seine Folgen

CASE OF VEREIN KLIMASENIORINNEN SCHWEIZ AND OTHERS v. SWITZERLAND

Recht auf eine gesunde Umwelt ist ein grundlegendes Menschenrecht

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall „Klimaschutz ist Menschenrecht“ hat bedeutende Auswirkungen auf die Debatte über Umweltschutz und Menschenrechte in Europa und darüber hinaus. Das Urteil bestätigt die Verbindung zwischen dem Recht auf eine gesunde Umwelt und den grundlegenden Menschenrechten, und es fordert Regierungen auf, konkrete Maßnahmen zum Schutz des Klimas zu ergreifen.

Der Fall, der vor den EGMR gebracht wurde, wurde von älteren Umweltaktivisten angestrengt, die argumentierten, dass die Untätigkeit der Schweizer Regierungen in Bezug auf den Klimawandel ihre grundlegenden Menschenrechte verletzt. Sie machten geltend, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels, wie beispielsweise extreme Wetterereignisse, Luftverschmutzung und der Verlust von Lebensgrundlagen, ihre Rechte auf Leben, Gesundheit und eine saubere Umwelt gefährden.

Das Urteil des EGMR stärkt die Position dieser Aktivist:innen und bestätigt, dass der Schutz der Umwelt eng mit den Menschenrechten verbunden ist. Es stellt fest, dass Regierungen die Verpflichtung haben, angemessene Maßnahmen zum Schutz des Klimas zu ergreifen und die Bürger vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Das Urteil betont auch die Bedeutung einer intergenerationalen Gerechtigkeit, indem es darauf hinweist, dass die heutigen Entscheidungen zur Umwelt den zukünftigen Generationen zugutekommen oder schaden können.

Die Entscheidung des EGMR hat weitreichende Implikationen für die Umweltpolitik in Europa und könnte auch globalen Einfluss haben. Sie fordert Regierungen dazu auf, ehrgeizigere Klimaziele zu setzen, Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu ergreifen und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu beschleunigen. Darüber hinaus könnte das Urteil dazu beitragen, die Rechenschaftspflicht der Regierungen gegenüber den Bürgern und der Umwelt zu stärken, indem es ihnen klare rechtliche Verpflichtungen auferlegt.

Insgesamt markiert das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einen wichtigen Meilenstein in der Anerkennung des Klimaschutzes als Menschenrecht. Es unterstreicht die Dringlichkeit und die Notwendigkeit, konkrete Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen und die Rechte der Menschen auf eine gesunde und lebenswerte Umwelt zu respektieren.

Das Urteil und seine Folgen

Im konkreten Fall war die Klage eines Schweizer Seniorenvereins gegen den Schweizer Staats wegen eines zu geringen und damit konkret lebensbedrohenden Klimaschutzes erfolgreich. Dieses Urteil hat große Auswirkungen auf alles Mitgliedsstaaten. Jeder eingetragene Verein, der eine vulnerable Gruppe in Hinblick auf mögliche Klimafolgen vertritt und im eigenen Land sich ohne Erfolg durch die Instanzen geklagt hat, hat gute Aussichten vor dem EGMR Recht zu bekommen.

Verfassungsbeschwerden von deutschen Umweltverbänden gegen das Klimaschutzgesetz geg war erfolgreich und das Klimaschutzgesetz wurde entsprechend angepasst.

1. Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.

Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 (url-Link)

Das Klimaschutzgesetz schreibt für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vor. Werden diese in einzelnen Sektoren verfehlt, muss laut Paragraf 8 des Gesetzes das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.

(1) Weisen die Emissionsdaten nach § 5 Absatz 1 und 2 eine Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor in einem Berichtsjahr aus, so legt das nach § 4 Absatz 4 zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage der Bewertung der Emissionsdaten durch den Expertenrat für Klimafragen nach § 11 Absatz 1 ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vor, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.

§ 8 KSG (url-Link)

2021 und 2022 wurden die Ziele für Verkehr und Gebäude gerissen. Nun plant die Bundesregierung eine Aufweichung des Klimaschutzgesetz.

Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach den verschiedenen Sektoren kontrolliert werden – sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt. Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen konkreten Sektoren sollen damit abgeschafft werden. (www.tagesschau.de vom 22.09.2023)

Gericht verurteilt Regierung zu Klima-Sofortprogramm

Die Ampel muss einen weiteren Rückschlag vor Gericht hinnehmen: Weil Deutschland die Klimaziele im Verkehrs- und Gebäudesektor in den vergangenen Jahren verfehlt hat, muss sie laut Urteil gegensteuern. Die Bundesregierung kündigte Revision an.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung in mehreren Punkten als rechtswidrig verurteilt. Es verpflichtete die Ampelkoalition dazu, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Damit gab das Gericht Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Umweltverbands BUND statt. (www.tagesschau.de vom 30.11.2023)

Das EGMR Urteil: Nationale und/oder globale Klimaschutzverpflichtungen und Wege zur THG-Emissionsreduzierung festlegt nach Sektoren

Die Aufweichung der Sektorziele ist nach dem Urteil des EGMR politisch nicht mehr umsetzbar:

550. Bei der Beurteilung, ob ein Staat innerhalb seines Ermessensspielraums geblieben ist (siehe Absatz 543 oben), wird das Gericht prüfen, ob die zuständigen inländischen Behörden, sei es auf legislativer, exekutiver oder richterlicher Ebene, gebührend berücksichtigt haben, dass sie: (a) allgemeine Maßnahmen erlassen, die einen Zeitplan für die Erreichung der Klimaneutralität und das insgesamt verbleibende Kohlenstoffbudget für denselben Zeitraum oder eine andere äquivalente Methode zur Quantifizierung zukünftiger THG-Emissionen festlegen, im Einklang mit dem übergreifenden Ziel für nationale und/oder globale Klimaschutzverpflichtungen; (b) Zwischenziele und Wege zur THG-Emissionsreduzierung festlegen (nach Sektor oder anderen relevanten Methoden), die grundsätzlich als fähig angesehen werden, die gesamtstaatlichen THG-Reduktionsziele innerhalb der relevanten Fristen, die in den nationalen Politiken festgelegt wurden, zu erreichen; (c) Nachweise vorlegen, ob sie die relevanten THG-Reduktionsziele ordnungsgemäß eingehalten haben oder dabei sind, diese einzuhalten (siehe Unterabsätze (a)-(b) oben); (d) die relevanten THG-Reduktionsziele mit gebührender Sorgfalt aktualisieren und auf der Grundlage der besten verfügbaren Beweise; und (e) rechtzeitig und auf angemessene und konsistente Weise handeln, wenn sie die relevanten Gesetzgebungen und Maßnahmen ausarbeiten und umsetzen

EGMR 9 April 2024 (url-Link)

Nach 2 Jahren Untätigkeit droht der Verkehrsminister nun mit Sonntagsfahrverbot

Klimaschutz auf der Straße – um das zu erreichen, bringt Verkehrsminister Wissing ein Fahrverbot am Wochenende ins Spiel. Für die Umweltschützer von Greenpeace ein Manöver des Verkehrsministers, um vom eigenen Versagen abzulenken. (www.tagesschau.de vom 12.04.2024).

Alternative Maßnahmen, um die Emissionen im Verkehrssektor zu senken

  • Tempolimit  6,7 – 8 Millionen Tonnen ⁠CO2⁠-Äquivalente
  • Ambitionierter Ausbau des ÖPNV
  • Förderung der E-Mobilität
  • Streichung des Dienstwagenprivileg: 3,5 – 5,5 Milliarden € Subventionen
  • Streichung des Dieselprivileg: 8,0 – 8,5 Milliarden € Subventionen
  • Kerosinbesteuerung des Luftverkehrs: 0,5 – 1,0 Milliarden € Mehreinnahmen

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Quellen

EGMR Urteil vom 9 April 2024, CASE OF VEREIN KLIMASENIORINNEN SCHWEIZ AND OTHERS v. SWITZERLAND (https://hudoc.echr.coe.int/)

Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung des Nr. 31/2021 vom 29. April 2021: Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich (www.bundesverfassungsgericht.de)

Bundesverfassungsgericht, Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz. Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 (www.bundesverfassungsgericht.de)

Quelle: www.tagesschau.de

Verkehr hat Klimaziel auch 2023 deutlich gerissen

Der Verkehrsbereich hat sein Klimaziel das dritte Jahr in Folge verfehlt. Verkehrsminister Wissing muss nun handeln. Das bietet neuen Zündstoff im Streit über das Klimaschutzgesetz.

Expertenrat: Bisherige Klimaschutz-Maßnahmen reichen nicht aus.

Der Verkehr habe jedoch deutlich mehr CO2 produziert als erlaubt, beim Gebäudesektor sei es knapp. „Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht für beide Sektoren die Notwendigkeit eines Sofortprogramms“, sagte Henning,. Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichten nicht aus.

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